„Viel mehr als Musik“

Apoptygma BerzerkDie Single „In This Together“ spülte Apoptygma Berzerk 2005 nach 14 Jahren Erfolg innerhalb der Gothic-Szene an die Oberfläche der Charts. Ähnlich wie Unheilig, die die Norweger auf deren Jubiläums-Tour begleiten. Anlass zum Interview mit Frontmann Stephan Groth.

Aus Oslo Richtung „Große Freiheit“

Stephan, Eure aktuelle CD / DVD heißt „Imagine there’s no Lennon“. Was ist Deiner Meinung nach Johns Vermächtnis?

Er war in vielerlei Hinsicht sehr wichtig. Ich denke, er hat Popmusik so wie wir sie versthen, erst erfunden. Er hat viele unbequeme Dinge ausgesprochen. Deshalb fungiert er auch heute noch für viele Künstler als Vorbild.

Die Scheibe ist ein Live-Album. Was ist das Besondere an einem Apoptygma Berzerk-Konzert?

Es gibt da eine bestimmte Energie, auf die das Publikum reagiert. Es findet eine Menge Kommunikation statt, und zwar jenseits sprachlicher Grenzen. Du musst die Texte nicht verstehen, um die Musik zu verstehen. Das merke ich daran, wie sehr die Leute einfach mitmachen, mitsingen und so weiter. In dieser Art sehe ich das nicht in vielen Konzerten.

Kannst Du Dich an Deinen allerersten Gig erinnern?

Ja, leider. (lacht) Es war ein Konzert in Norwegen. Wir waren die Vorband für eine schwedische Band, aber ich hab keine Ahnung, wer das war. Wir haben vier oder fünf Songs gespielt, und ich war so nervös! Als das Konzert dann endlich vorbei war, hab ich mir geschworen, dass ich sowas nie wieder machen würde. (lacht)

Apop: ein Kunstwerk

Wie würdest Du einem Außerirdischen Apoptygma Berzerk beschreiben?

Ich wollte immer, dass Apop mehr als eine Band ist. Nicht unbedingt eine Philosophie, aber mehr ein Kunstwerk. Eine Art zu denken. Eine Apop-CD ist mehr als zehn Songs. Du kannst viel Zeit damit verbringen, wenn Du Dich näher damit beschäftigen möchtest. Sollte ich es also einem Außerirdischen beschreiben, würde ich sagen: „Es ist viel mehr als Musik“.

Ihr seid dieser Tage auf Tour mit Unheilig. Nimmst Du die Band auch international wahr?

Ich denke, dadurch, dass sie in Deutsch singen, ist es hauptsächlich ein deutsches Phänomen. Aber angesichts der Top Ten-Hits ist es wirklich unglaublich zu sehen, wie groß Unheilig geworden ist. Wir haben vor Kurzem zusammen in der Jahrhundert-Halle in Frankfurt gespielt. Das Konzert war ausverkauft. Und wenn man sieht, wieviele Leute dort reinpassen, ist das schon großartig. Es ist aufregend und macht Spaß, daran teilzuhaben. Dafür bin ich sehr dankbar.

Du als auch der Der Graf, ihr habt Eure Wurzeln in der Gothic-Szene. Was hältst Du von der Entwicklung der Szene in den letzten 20 Jahren?

Ich würde mich zwar als aufgeschlossen bezeichnen, aber es ist nicht meine Aufgabe, anderen Leuten zu erzählen, wie sie ihre Bands oder musikalische Karrieren betreiben sollten. Jeder sollte doch tolerant genug sein, zu akzeptieren, dass manche Bands sich zum Teil bewusst in Richtung Mainstream entwickeln. Wir haben uns mit Apop vor ein paar Jahren dazu entschlossen, mehr Rock’n’Roll in den Elektro-Sound zu integrieren. Auch das sollte man cool finden können. Jede Szene stirbt, wenn es keine Entwicklung gibt. Wenn sich Szenen nicht öffnen, gibt es keinen Nachwuchs, und damit sterben sie. Ich denke, Unheilig sind mit ihrer aktuellen Linie wesentlich wichtiger für die Gothic-Szene als Band, die „true“ bleiben wollen. Dasselbe mit Apop. Es gibt Leute, die über uns erst Depeche Mode oder Kraftwerk entdecken. Und solange wir uns mit unserer Musik in den Charts positionieren können, besetzen wir damit die Positionen, auf denen sonst irgendein R’n’B-Mist stehen würde.

(Erschienen in: Neue Braunschweiger Zeitung – newbeat – November 2010).

Über rocknrole

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